Der Geist des Ortes


Eine alte Obstgegend im Bayerischen Wald

Der Apfel ist seit alters her etwas besonderes und hat einen lange Kulturgeschichte. Doch nicht nur in den klimatisch begünstigten Lagen des Bodenseegebietes und am Rhein wird Obstanbau betrieben, auch die Mittelgebirge haben mit ihrem Streuobstwiesen immer zur Obstproduktion beigetragen. Hier finden sich durch diese Wiesen noch Naturlandschaften, denen ein besonderer Geist inne wohnt, die aber immer mehr vom Aussterben bedroht sind. Auch der Bayerische Wald gehört zu diesen landschaftlich reizvollen Mittelgebirgen, auf dessen ersten Hügelketten und den zur Donau hin abfallenden Hängen und Tälern schon in sehr früher Zeit Obstbau betrieben wurde. Diese Broschüre beschreibt den Obstanbau rund um die Gemeinde Neukirchen bei Bogen im Bayerischen Wald und erinnert damit an eine einzigartige Landschaft, die es wert ist, erhalten zu werden. (Buchrücken)

Vorwort

Als wir vor gut sieben Jahren in den Bayerischen Wald gezogen sind, haben mich vor allem die Vielzahl der alten Obstbäume und die dazugehörigen Wiesen fasziniert. So etwas kannte ich noch aus meiner Kindheit, da standen fast überall auf den Wiesen Obstbäume, die mittlerweile aber fast alle verschwunden sind. Doch hier gab es noch alles: Birnen, Äpfel, Kirschen, Zwetschgen und sogar Walnussbäume. Für eine alte Baumschulgehilfin, die einige Jahre in einem Obstbaubetrieb im Weinbauklima Rheinhessens zugebracht hatte, doch etwas verwunderlich. Ich kannte von dort die überall in der Landschaft verstreuten Walnussbäume, die die alten Weingärten schmückten, doch hätte ich so etwas nie in den rauen Lagen des Bayerischen Waldes erwartet. Ich hatte in meiner Ausbildung gelernt: Besonders Walnussbäume brauchen eine warme Gegend.

Auch die dazugehörigen Wiesen in dieser einzigartigen Landschaft des Bayerischen Waldes gerieten immer wieder in mein Blickfeld. Was gab es dort nicht alles zu entdecken: Thymian, Buschwindröschen und Schlüsselblumen. An einigen versteckten Orten findet man sogar noch wilde Orchideen. Welch eine Pracht in der freien Landschaft: Wiesenblumen, Pflanzen, die ich sonst nur aus dem Garten, aus der Staudengärtnerei kannte, wuchsen hier einfach überall. Was für ein Reichtum!

Ich wollte mehr erfahren über diese Gegend, zog durch Wald und Flur, entdeckte eine alte Obstbaumallee, fragte Nachbarn und Bauern, ob sie mir noch etwas mehr über diesen Landstrich erzählen könnten. So machte ich mich auf die Suche nach dem Geist des Ortes, dem Genius Loci, wie es Anja Maubach, die Gartenplanerin und Besitzerin der berühmten Staudengärtnerei Ahrends&Maubach in einer Gartenzeitschrift so treffend beschrieben hat. Selbst an einem Ort mit großer Tradition aufgewachsen und lebend, formulierte sie es folgendermaßen: „Als weiteres Element (der Gartenplanung) kommt der schöpferische Geist des Ortes hinzu – Der Genius Loci. Er durchweht, ja, beschützt den Gartenraum und macht ihn einzigartig. Ein umfassender Geist, ein göttlicher Funke. Der Genius Loci – ein gutes, förderndes Wesen, das den Garten oder auch eine Landschaft durchzieht und bei der Gestaltung mitwirkt.“ (Anja Maubach/ Gartenträume, Herbst 2012). Diesen Geist, die Seele des Ortes, der Landschaft, der auch schon den Römern bekannt war als Schutzgeist ihrer Tempel und Städte, muss man erspüren, mit allen Sinnen wahrnehmen: „Für mich ist das der kostbarste Moment bei der Erkundung eines unbekannten Grundstückes…….. Alle Eindrücke möchte ich aufnehmen und mein Herz für sie öffnen, ohne sogleich zu werten.“ (Anja Maubach).

Viele schöne Stunden habe ich mit meinem Fotoapparat und meinem Hund in dieser traumhaften Landschaft verbracht. Viele Schätze habe ich entdeckt, mein Herz geöffnet, wie Anja Maubach es nennt und den guten Geist des Ortes – wie man gerne im Volksmund sagt – gefunden: Wunderschöne Streuobstwiesen, ein Paradies für Pflanzen und Tiere, aber auch für den Menschen. Blühende Oasen im Frühjahr, bunte Vielfalt in den Sommermonaten und alte knorrige, fast märchenhafte Baumgestalten, die bei Eis und Nebel erst so richtig zur Geltung kommen, haben sich mir gezeigt. Eine Schönheit, die man an vielen Orten vergebens sucht.

Doch auch etwas anderes ist mir aufgefallen, habe ich mit Wehmut festgestellt, dass es gilt, diesen guten Geist des Ortes zu erhalten, dass wir ihn schützen und bewahren müssen, damit er nicht sehr schnell zu einem Ort wird, der von allen guten Geister verlassen ist.

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