Die etwas andere Art zu gärtnern
Wenn Du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten und endlosen Meer.
Antoine de Saint-Excepéry
Von der Schönheit der Nutzgärten
Küchengarten- ein Begriff der heute wieder in aller Munde ist. Der Traum vom eigenen Stück Land, auf dem man selbst Obst, Gemüse und Blumen ziehen kann und das Nützliche mit dem Schönen verbindet.
Doch was sind Küchengärten eigentlich, was zeichnet sie aus? Wie legt man sie an und mit welchen Pflanzen füllt man sie? Die Gartenbauingenieurin Katrin Schumann ist dier Frage nachgegangen und erzählt von ihrem eigenen Traum – ihrem Küchengarten im Bayerischen Wald. Denn Träume können in Erfüllung gehen, manchmal schneller als man denkt. (Buchrücken)
Wie dieses Buch entstand
Groß geworden auf einem Bauernhof waren Garten und frisches Gemüse immer fester Bestandteil meines Lebens. Als Kinder war uns die Arbeit im Garten vertraut, mussten wir oft mit anpacken. Mir machte – im Gegensatz zu meinen Schwestern – diese Arbeit Spaß, ich genoss das Leben draußen zwischen den Pflanzen. Auch später fern der Heimat, bei Arbeit und Studium umgaben mich die Pflanzen. Und wenn es irgendwie möglich war, hatte ich auch meinen eigenen kleinen Garten. Dort gab es zumindest etwas Salat und Schnittlauch, und natürlich Tomaten auf dem Balkon. Dann erst kamen die Blumen, immer eine kunterbunte Mischung. Später, mit dem eigenen Stück Land, wuchs auch die Größe des Gemüsegartens. Immer war er Hauptbestandteil, dominierte den Garten, drückte ihm seinen Stempel auf.
Und dann kamen die Fotos, begann ich das Ganze zu fotografieren. Wie heißt es doch so oft? Gärtner sind auch Künstler: Haben sie erst einmal ein Paradies geschaffen, dann möchten sie es auch festhalten, mit anderen teilen oder darüber berichten. Sie malen, fotografieren oder schreiben über ihren Garten und befinden sich dabei in bester Gesellschaft. Der Maler Claude Monet erlangte erst Weltruhm durch die Bilder, die er in seinem Garten in Giverny malte: Dort, wo ihm der Garten quasi Modell stand. Max Liebermann hielt sein Paradies in Berlin am Wannsee ebenfalls auf Leinwand fest. Karl Foerster und Vita Sackville-West hatten nicht nur einen bezaubernden Garten, sie schrieben ihre Erfahrungen, ihr Leben im Garten sogar nieder und sind auch heute noch, Jahrzehnte nach ihrem Tod, feste Größen in der Gartenwelt.
Und was fotografierte ich, nachdem ich meinen Garten im Großen und Ganzen festgehalten hatte: Das, was sich jedes Jahr verändert und wieder neu entsteht, meinen Gemüsegarten. Dazu kam die Gelegenheit alte Gemüsesorten für das Buch einer Freundin zu fotografieren. Es lag nahe, einen Großteil der benötigten Arten und Sorten selbst im Garten anzubauen. Ich machte Erfahrungen mit wertvollen Pflanzen, die man in der Regel heute nicht mehr kennt und die ich sonst wahrscheinlich nie angebaut hätte. Ich begab mich auf Reisen, besuchte andere Gemüsegärten, Küchengärten, wie man sie heute nennt. Ich war begeistert und hätte nach meiner Heimreise am liebsten meine benachbarte Wiese umgeackert und in einen Küchengarten verwandelt, so hatten mich die gesehen Gärten in Holland und Deutschland inspiriert. Mein alter Bauerngarten erschien mir viel zu klein für das, was ich gerne realisieren wollte. Träume können ins unermessliche gehen und mir fehlte auch der Chefgärtner der alten Herrenhäuser, der mir half meine Visionen umzusetzen. Da war ich zunächst auf mich alleine gestellt. Doch die Idee des Küchengartens und zumindest ein Buch darüber zu schreiben war geboren.
Plötzlich fiel mir auf, wie viel neu entstanden war. Klöster legen ihre Heilkräutergärten wieder an. In Bauernhausmuseen fand man wieder prächtige Bauerngärten. Rasenflächen in Schlössern wurden wieder in barocke Anlagen verwandelt und man sieht und staunt: Nicht mit den früher üblichen Eisbegonien bepflanzt, nein mit Gemüse. In dekorativen Mustern und perfekten Reihen findet man Palmkohl, Möhren, Lauch und Mangold mit roten, gelben und weißen Stielen. Obstspaliere werden wieder kunstvoll erzogen und die Beete mit allen nur erdenklichen Pflanzen eingefasst: Erdbeeren, Schnittlauch, Thymian, Salbei oder Ysop.
Alte Schlösser und Herrensitze besinnen sich wieder auf die Gartenkultur, inszenieren Pflanzenmärkte und Gartenbuchpreise. Endlich scheint diese auch in Deutschland wieder Salonfähig zu werden. Und wenn man sich die Beete so betrachtet – wie kunstvoll sie angelegt sind – scheinen nicht nur die Besucher ihre Freude daran zu haben. Das diese begeistert sind, bemerke ich immer wieder bei meinen Fototouren. Wenn ich inmitten der Beete stehe und meine Fotos mache, für die Außenwelt vollkommen in meiner Arbeit versunken, nimmt man so manches wahr: Die Begeisterung des Betrachters, das Staunen und Zücken des eigenen Fotoapparates, um ebenfalls Bilder zu machen. Manchmal stupsen die Besucher mich auch an und machen mich darauf aufmerksam, dass dort hinten ein besonders schöner Mangold steht, der gerade jetzt so prachtvoll in der Sonne leuchtet. Ob ich den schon gesehen hätte, fragen sie mich dann.
Die Lust am Garten steigt, verbunden mit dem Nützlichen, dem Genuss von frischem Obst und Gemüse. Man legt wieder Wert auf Schönheit und Wohlgeschmack, auf frische und hochwertige Produkte und erlaubt sich dies nicht nur nach Feierabend oder am Wochenende, sondern auch während der Arbeit, im täglichen Leben. Selbst in meinem Heimatdorf, wo viele Gärten in den 80er und 90er Jahren verschwunden waren – denn sie machen ja nur Arbeit und das Gemüse kann man doch viel billiger kaufen – entstehen wieder neue Gemüsegärten. Wird wieder ein Teil des Rasens oder der Wiese umgegraben für Nutzgärten oder man zieht wieder, wie meine Mutter – wenn der Garten am Haus zu klein wird – ins Feld und baut dort Gemüse an. Man schätzt den frischen Salat, das saisonale Gemüse und die Sorten, die man in keinem Supermarkt kaufen kann. Doch nicht mehr nur gerade Reihen an Kohl und Kartoffeln, das was man braucht, wird angepflanzt, nein auch Sonnenblumen am Rande des Feldes, Tagetes und Ringelblumen zwischen Kohl und Salat und natürlich Gladiolen. Auch etwas für das Auge muss es sein, für die Vase Zuhause! Vielleicht noch eine kleine Bank unter Bohnen versteckt, damit man während der Arbeit im Garten auch einmal eine Pause im Schatten machen kann. Eine kleine Pause, um zu Genießen, sein Werk zu bewundern, zu sehen wie schön der Blumenkohl zwischen den Ringelblumen leuchtet, bevor man ihn nachher auf dem Nachhauseweg abschneidet, um ihn dann in den Kochtopf zu stecken. Genuss pur! Eine Qualität, die ihresgleichen sucht!
Ein gutes Buch braucht Zeit und lässt sich nicht so leicht aus dem Ärmel schütteln. Qualität muss reifen können. Äpfel, die keine Zeit hatten zum wachsen und die nicht genügend Sonne tanken konnten, schmecken fade. So hat dieses Buch auch eine Weile gebraucht, bis es fertig geworden ist. Und in der Zwischenzeit konnte so mancher Traum realisiert werden. Es fand sich doch tatsächlich in der Nähe ein Stück Land, welches ich zunächst mit einem Freund, im wahrsten Sinne des Wortes beackert habe. Wir sind zu Selbstversorgern geworden und mein Traum vom Küchengarten, mit Chefgärtner – er möge mir diesen Ausdruck verzeihen – ist in Erfüllung gegangen.
Einige dieser Erfahrungen sind in dieses Buch mit eingeflossen und natürlich viele Bilder. Am Anfang wurden wir, wie so oft, belächelt, ob unserer Idee einen Gemüsegarten anzulegen. Mitten im Feld, zwischen Wald und Wiese, ohne Zaun und Chemie: „Was soll denn da wachsen? Außerdem fressen euch die Hasen und Rehe sicherlich alles weg!“ Am Ende des Sommers haben alle nur noch gestaunt, ob der Pracht und Fülle, die hier entstanden ist und wir konnten einen Großteil unserer Ernte abgeben, weil wir viel zu viel hatten. Die Erde schenkt uns reichlich, alles was wir brauchen, wenn wir mit ihr zusammen arbeiten, wenn wir uns von der Natur führen und helfen lassen. Und so habe ich erkannt, dass ein Gemüsegarten nicht zwangsläufig viel Arbeit machen muss, wenn man mit der Natur gärtnert. Es ist Arbeit, eigentlich ein Spielen, das einen befriedigt, das Säen und Pflanzen im Frühjahr, das Wachsen lassen im Sommer und schließlich das Ernten im Herbst. So ist mein Feld in die benachbarte Obstwiese gewandert, nicht mehr so weit weg vom Haus wie im ersten Jahr. Auch etwas kleiner ist es geworden und übersichtlicher, denn ich muss damit ja nicht eine ganze Nation versorgen. Es reicht, um meine Familie fast ein ganzes Jahr mit frischem Gemüse zu versorgen. Ich habe nicht den Anspruch Selbstversorger zu sein, doch mir ist es wichtig zu wissen, was ich esse. Auf die Qualität kommt es mir an und diese ist nirgends besser als im eigenen Garten. Nirgendwo finde ich solch frischen Salat oder kann Erbsen direkt aus der Hülse naschen. Sind sie noch besonders jung, dann kann man sogar die Hülse mitessen. Eine Delikatesse, die man in keinem Supermarkt findet. So ist dieser Küchengarten für mich auch ein Stück Lebensqualität.
Aus all diesen Gedanken und Eindrücken ist dieses Buch entstanden. Ein bisschen von jedem: Ein kleiner Blick über den Gartenzaun in andere Länder, in denen der Küchengarten schon viel früher eine Renaissance erlebt hat. Ein Blick zurück in die Geschichte, etwas über die Gestaltung und letztendlich mein Leben im Küchengarten im Lauf der Jahreszeiten.
Wichtig ist mir die Verbindung von Schönheit und Nutzen, Gestaltung und Freude, von Arbeit und Genuss. Und so soll auch dieses Buch sein, kein trockenes Lehrbuch, kein reiner Ratgeber, sondern ein Buch, welches die Schönheit, die Freude am Nutzgarten mit dem Wissen darüber und den eigenen Erfahrungen verbindet. Welches uns den Reichtum der Ernte, die Fülle an Obst und Gemüse, aber auch der Blumen – die uns die Natur jedes Jahr wieder neu schenkt – zeigt. Ein Buch, das informiert und gleichzeitig Freude bereitet und Ihnen beim Lesen hoffentlich genauso viel Spaß macht, wie mir beim Schreiben und Fotografieren.