Die Apotheke der Pflanzen


Sekundäre Pflanzenstoffe sind Heilkräfte der Natur

Gegen das aber, was man im Überfluss hat,

wird man gleichgültig, daher kommt es auch,

dass viele hundert Pflanzen und Kräuter für wertlose Unkräuter gehalten werden

und mit Füssen zertreten werden,

anstatt dass man sie beachtet, bewundert und gebraucht.

Sebastian Kneipp

Seit über 30 Jahren, seit meiner Baumschullehre, beschäftige ich mich mit Pflanzen. Aber auch schon vorher waren sie immer Bestandteil – ein sehr wichtiger sogar – in meinem Leben. Aufgewachsen auf einem kleinen Bauernhof im Westerwald mit einem Großvater und einem unverheirateten Onkel – die beide passionierte Jäger, mehr draußen in der Natur unterwegs waren als auf ihrem Hof – da ist mir die Begeisterung für die Natur, die Pflanzen schon sehr früh in die Wiege gelegt worden. Obwohl mich die Pflanzen also schon sehr lange, unter anderem auch durch ein Studium der Gartenbauwissenschaften, sehr intensiv begleiten, lernt man doch nie aus!

Dieses Thema ist so umfangreich, dass man jeden Tag wieder etwas Neues entdeckt, etwas Neues erfährt über das Wunderwerk Pflanze. Der bekannte Gartenphilosoph Karl Foerster soll einmal gesagt haben: „Im nächsten Leben werde ich wieder Gärtner und im übernächsten auch, denn für ein Leben ist dieser Beruf viel zu groß!“ Genauso empfinde ich es auch, bin ich täglich dankbar und voller Freude über diese Schätze, die wir da an unserer Seite haben. Man kann es nicht oft genug betonen!

Denn in unserer heutigen Zeit, in dieser technisierten Welt ist das Bewusstsein für diesen Schatz leider etwas verloren gegangen, fehlt uns heute sehr oft die Achtsamkeit gegenüber den Pflanzen. Wir zwängen sie in Monokulturen und wundern uns dann, dass der Wald stirbt, immer neue Krankheiten und Schädlinge, sowie Unkräuter auftreten, mit denen wir uns dann auseinandersetzen müssen. Wir haben den Blick für die Zusammenhänge verloren, uns ist nicht mehr bewusst, dass alles in der Natur einen Sinn, eine Aufgabe hat, auch eine kleine Schnecke. Dass sie nur ihre Lebensaufgabe erfüllt, auch wenn wir das vielleicht nicht verstehen können. Dass vielleicht wir selber es sind, die mit unseren Produktionsmethoden, mit unserem Umgang mit den Pflanzen, der Natur, dafür sorgen, dass die Schnecken einen Haufen Arbeit haben, kommt uns dabei nicht in den Sinn.

Die Schöpfung, die Natur ist genial, da passt alles zusammen, ist miteinander verbunden und verwoben. Aber auch dieses Bewusstsein ist uns leider abhandengekommen. In früherer Zeit wäre niemand auf die Idee gekommen einen Baum zu fällen und nicht vorher diesen um Verzeihung zu bitten. Viele Naturvölker tun dies noch heute, bedanken sich für die Ernte. Was Mutter Erde, die Pflanzen zur Verfügung stellen wird geschätzt, geachtet, und vor allen Dingen nehmen sie nicht mehr als sie brauchen. Sie wissen darum, wie wichtig es ist, diese Schöpfung zu erhalten, sie zu pflegen und zu ehren, damit auch künftige Generationen ein Auskommen haben.

Und wie wichtig dieser achtsame Umgang mit der Natur, mit den Pflanzen ist, wie sich der Anbau, die Kultur der Pflanzen auf ihre Inhaltsstoffe auswirkt, ist mir erst in den letzten Jahren so richtig bewusst geworden. Seit ich mich vermehrt mit dem großen Feld der sekundären Pflanzenstoffen beschäftige. Zur Zeit meines Studiums hatten die sekundären Pflanzenstoffe, zu denen man heute schon mehr als 30.000 verschiedene Substanzen zählt, keine so große Bedeutung. Ihre Erforschung steckte damals noch in den Kinderschuhen, aber auch heute wissen wir nur einen Bruchteil ihrer Bedeutung und Wirkungsweise.

Analog den Ballaststoffen – bei denen es sich zum Teil um unverdauliche, komplexe Kohlenhydrate handelt – nahm man lange Zeit an, dass sie bei der Verstoffwechselung im Körper keine Rolle spielen: dass sie größtenteils unverdaut wieder ausgeschieden und nicht genutzt werden. Heute dagegen weiß man, dass gerade diese Ballaststoffen – zu denen das Pektin im Apfel oder der Möhre gehört, sowie das Inulin in Schwarzwurzel, Pastinake oder im Herbst in der Löwenzahnwurzel – außerordentlich wichtig für unsere Darmgesundheit sind. Fast 80 % unseres Immunsystems liegt im Darm, im sogenannten Mikrobiom: die Mikroorganismen, die auf und in der Darmschleimhaut sitzen und so wertvoll sind, wenn es sich um die richtigen Arten handelt. Diese unterschiedlichen Bakterienfloren sind dafür verantwortlich, dass Viren und Bakterien unschädlich gemacht werden, pathogene Schadstoffe ausgeschieden und sogar Hormone gebildet werden, unter anderen das Glückshormon Serotonin.

Gerade die unverdaulichen Kohlenhydrate, wie das Inulin, unterstützen dieses Immunsystem, das Mikrobiom im Darm. Denn diese Ballaststoffe haben die Fähigkeit mit Wasser zu quellen und so Gifte und andere schädliche Stoffe, aber auch schädliche Bakterien und Pilze aus dem Darm zu entfernen. Außerdem dienen sie als Nahrung für die positiven Mikroorganismen im Darm. Schon Sebastian Kneipp hat sie als Besen für den Darm bezeichnet. Leider essen wir im Durchschnitt heute nur ein Achtel der Ballaststoffe die wir essen müssten, damit unser Darm gut funktioniert und sein volles biologisches Potential entfalten kann.

Auch die Bauern wussten das in früherer Zeit, wenn sie auch die Wirkung nicht wissenschaftlich erklären konnten. Diese quellenden Ballaststoffe im Darm sorgen ebenfalls dafür, dass ein Sättigungsgefühl entsteht, aber die Kohlenhydrate nur langsam, wie beim Pektin des Apfels oder gar nicht aufgenommen werden (Inulin). So fütterte man den Kühen früher, über Winter Pastinaken, denn dadurch magerten sie nicht ab und gaben fettere Milch.

Pflanzen sind Vielstoffgemische, hier wirkt nicht nur eine Komponente, sondern eine Vielzahl davon. Und genau das macht die besondere Heilwirkung der Pflanzen, ihren gesundheitlichen Wert aus. Auch das wussten schon die alten Griechen, denn von Aristoteles stammt der Satz: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.

Warum nun diese Analogie zu den Ballaststoffen? Auch bei den sekundären Pflanzenstoffe, obwohl man sie kannte – denn zu ihnen gehören Alkaloide wie das bekannte Herzglycosid Digitalis, oder die Ätherischen Öle, die schon immer zu Heilzwecken verwendet wurden, aber auch Bitterstoffe, Seifenstoffe, Lauch – und Senföle sowie Salicylsäure, die wir als Aspirin kennen – hat man ihren Nutzen, mit einigen Ausnahmen nicht wirklich erkannt. Man wusste um ihre Aufgabe in der Pflanze, in der sie als Schutz- und Abwehrstoffe, gegen Krankheiten und Schädlinge dienen, aber auch als Farb-, Duft – oder Lockstoffe, sowie pflanzeneigene Hormone. Man erkannte zwar die Bedeutung für die Pflanze selbst, aber man wusste nicht, dass sie im menschlichen Körper ähnliche Wirkungen haben. Dass der Mensch, genau diese Stoffe der Pflanze mit seiner Nahrung aufnehmen muss um gesund zu bleiben, oder im schlimmsten Fall auch zu heilen. Denn wie bei den Pflanzen ist es auch beim Menschen, am besten man wird erst gar nicht krank, das Immunsystem ist so stark, dass es mit vielem oder sogar allem, was da so von draußen auf uns einwirkt, zurechtkommt.

Doch leider ist das heute leichter gesagt als getan, denn erst einmal wirkt viel mehr auf uns ein, als früher. Unser Immunsystem muss sich mit viel mehr Gift- und Schadstoffen auseinandersetzen, als noch vor 100 Jahren. Alleine deshalb sollten wir uns schon Gedanken machen, was wir da so lustig und munter in unserer Luft und auf unseren Pflanzen verteilen. Denn die Pflanzen brauchen das in keiner Weise. Im Gegenteil, es schadet ihnen genauso wie uns Menschen und wir berauben uns dadurch nur der Heilkräfte in den Pflanzen.

Viele dieser sekundären Pflanzenstoffe gehören in die große Gruppe der Phenole, der pflanzeneigenen Abwehrstoffe, die man auch als Phytoalexine zusammenfasst. Solche Phenole bildet z.B. der Apfel bei einer Schorfinfektion, einem Pilz, der die Blätter und Früchte des Apfels befällt, die als kleine Punkte dann dort zu finden sind. Wenn man sich diese Punkte einmal genauer ansieht, besonders auf den Blättern, sind diese von einem kleinen braunen Rand umgeben. Das sind Phenole, die quasi einen Zaun um die Infektionsstelle errichten und den Pilz so an der Ausbreitung hindern. Und genau diese Phenole benötigt auch unser Körper um z.B. freie Radikale, schädliche Sauerstoffradikale, die unser Stoffwechsel als Abfallprodukt bildet, zu neutralisieren. Diese freien Radikale schädigen die Zellen, führen zur frühzeitigen Alterung und können im schlimmsten Fall auch Krebs verursachen.

Phenole, zu denen auch die Pflanzenfarbstoffe gehören, wie das Blau der Heidelbeeren, des Rotkohls, der rote Farbstoff Carotin in den Möhren, Betain in der Roten Beete oder das Lycopin in der Tomate, um nur ein paar der unzähligen Farbstoffe zu nennen, sind Antioxidantien. Antioxidantien, zu denen auch Vitamin C und A gehören sind die Stoffe, die diese freien Radikale abfangen können, in unserem Körper unschädlich machen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir gerade sie mit der Nahrung aufnehmen.

Doch leider befinden sie sind nicht mehr in diesen Mengen in unseren Lebensmitteln, wie es eigentlich sein könnte und von der Natur vorgesehen ist. Wissenschaftliche Untersuchungen an Supermarktobst und Gemüse haben das bestätigt. Und eigentlich ist es auch kein Wunder, denn es sind unsere Produktions- und Kulturmethoden, die solche Ergebnisse bewirken!

Man kann es leider nicht oft genug wiederholen und betonen, diese Phenole sind pflanzeneigene Abwehrstoffe, die die Pflanze in erster Linie bildet um sich selber zu schützen: vor Viren, Bakterien, Pilzen und anderen Schädlingen, die an ihr knabbern oder auch saugen. Sie dienen aber auch wie Farbstoffe und ätherische Öle als Sonnenschutz. Denn auch das Pflanzenblatt, das darin enthaltene Eiweiß denaturiert bei hohen Temperaturen. Und Temperaturen von 50 C° auf einem sonnenbeschienenen Blatt könnten leicht entstehen, die Pflanze versucht diese Temperaturen niedrig zu halten, bei 30°C – 32°C. Nicht immer gelingt ihr das, wenn sie direkt unter der Glasabdeckung des Gewächshauses steht. Dann gibt es leicht Verbrennungen.

In der Natur, unter freiem Himmel, weiß die Pflanze sich in der Regel gut zu schützen So gibt es Untersuchungen an Tomaten, die den roten Farbstoff Lycopin enthalten, dass dieser in den Pflanzen in viel größeren Mengen enthalten ist, wenn diese unter natürlichen Bedingungen, zum Beispiel in Höhenlagen, angebaut werden. Dort ist die Luft bekanntlich dünner, die UV – Einstrahlung höher und somit müssen sich die Pflanzen vermehrt gegen diese hohe Einstrahlung schützen und bilden somit mehr Lycopin. Auch eine Tomate die im Freiland angebaut wird enthält viel mehr von diesem Farbstoff, als eine die im Gewächshaus steht. Alle Gärtner wissen das, dass Pflanzen aus dem Gewächshaus erst einmal abgehärtet werden müssen, ein paar Tage im Schatten stehen müssen, damit die Blätter von der Sonne nicht verbrennen. Das liegt daran, das die Gewächshausabdachungen die Wellenlängen der Einstrahlung verändern. Die eintretende Strahlung wird durch das Glas oder andere Abdeckungen gebrochen und so gelangt kein UV – Licht ins Gewächshaus, sondern nur Wärmestrahlung. Und die Pflanze ist nicht dumm, sie ist in gewisser Weise wie der Mensch, sie macht nur das, was sie muss. Und wenn sie keinen Sonnenschutz braucht, oder sich gegen Pilze, Bakterien, Viren oder Schädlinge wehren muss, dann setzt sie die Energie und die Stoffe eben für ihr Wachstum ein. Sie bildet mehr Früchte und Blattmasse, aber dann leider von minderer Qualität, weil ein Großteil der sekundären Pflanzenstoffe nicht in dem Maße gebildet wurde, wie es sein könnte.

Ähnlich ist es mit den ätherischen Ölen, die schon seit alters her zu den bedeutendsten Heilmitteln in der Pflanzenheilkunde zählen. Man erinnert sich nur an Thymian bei Husten oder Pfefferminze bei Magen- und Darmproblemen. Was wir dabei lange übersehen haben, dass diese ätherischen Öle in erster Linie als Verdunstungsschutz bei den Pflanzen wirken. Gerade die Mittelmeerpflanzen schützen sich mit Hilfe diesem genialen Kühlungseffekt vor der dort herrschenden hohen Einstrahlung. Deshalb wird Lavendel zur Mittagszeit geerntet, weil dann die Einstrahlung am höchsten ist, die Pflanze zu dieser Zeit am meisten ätherisches Öl enthält. Auch Basilikum ist reich an ätherischen Ölen und man braucht nicht viel Phantasie um sich vorzustellen, was in den künstlich unter Glas produzierten Töpfen, die wir im Frühling in jedem Supermarkt kaufen können, noch drin ist.

Leider können wir das nicht sehen, denn unser Auge ist getrimmt auf den äußeren Schein. Wir haben den Blick für das „innen drin“, die eigentlich wichtige innere Qualität, verloren. Behandeln wir die Pflanze mit irgendwelchen Mitteln, egal ob sie giftig sind oder nicht, damit sie schön aussehen, keine Flecken haben, nicht angefressen sind oder sonst etwas, dann unterbinden wir die natürliche Abwehrreaktion der Pflanze. Wir unterbinden die Produktion so vieler Stoffe, die für unsere Gesundheit so wichtig wären. Die Pflanzen würden sie uns einfach schenken, wenn wir sie unter natürlichen Bedingungen wachsen lassen würden. Wir machen diese Geschenke der Pflanzen, der Natur, die gewaltige Kraft der Schöpfung mit unseren Ansprüchen auf makellose, äußere Erscheinung selbst zunichte. Wir sägen an dem Ast auf dem wir sitzen und das ganz gewaltig!

Solange wir das nicht verstanden haben, werden uns noch viele Viren, Bakterien, Pilze et. in die Knie zwingen. Warum sind die Leute dann früher verhungert oder waren krank, wird jetzt so mancher mit Recht entgegnen. Das lag zum Teil daran, dass die Menschen einfach nichts hatten, die Vielfalt die wir heute zur Verfügung haben gab es so nicht, zumindest nicht zu jeder Zeit. Wenn die Menschen im Winter im Bayerischen Wald eingeschneit waren, hatten sie nicht die Möglichkeit sich wo anders einzudecken. Außerdem musste ein großer Teil ihrer Ernte auch an irgendwelche Lehnsherren abgeben werden. Diese hatten übrigens schon vor hunderten von Jahren die gleichen Wohlstandskrankheiten wie die Menschen heute. Vom großen Botaniker Carl von Linné weiß man, dass er seine Gichtanfälle mit Erdbeeren linderte, weil diese durch ihre Farbe viele Antioxidantien enthalten, aber auch schmerzlindernde Salicylsäure.

Wir werden wieder lernen müssen nach innen zu schauen, die wahren Werte zu erkennen und zu verstehen, dass das, was wir da draußen im Garten unter natürlichen Bedingungen anbauen, das Beste ist was wir für unsere Gesundheit tun können. Wenn da vielleicht der eine oder andere optische Makel ist, ist er es doch, der die hervorragende Qualität dieses Produktes ausmacht. Denn er sorgt für die Abwehrstoffe der Pflanze, die unser Körper so dringend braucht. Nur sind wir im Gegensatz zur Pflanze nicht in der Lage diese Stoffe selber herzustellen. Wir brauchen dabei die Mithilfe der Pflanzen!

Pflanzen sind Wesen, Geschöpfe, die in ständigem Austausch zueinanderstehen. Das machen sie durch ihre ätherischen Öle, die Duftstoffe, mit denen sie Artgenossen zum Beispiel vor einem Schädlingsbefall warnen können. So ist die Pflanze in der Nachbarschaft in der Lage ihre Zellwände zu verstärken, damit die Blattlaus nicht mehr an ihr saugen kann oder sie kann mit einem anderen Duftstoff, den sie produziert, den Schädling verwirren, in die Irre führen. So wie das zum Beispiel der Kohl mit den Faltern des Kohlweißlings macht. Das funktioniert aber nur, wenn in der Nähe noch andere Pflanzen stehen, an denen der Kohlweißling dann seine Eier ablegen kann. Diese können sich dann dort nicht entwickeln, weil die Larven nichts zu fressen haben. Man kann sich gut vorstellen, dass das auf riesigen Schlägen mit nur Kohl nicht funktioniert, weil es eben keine anderen Pflanzen gibt. Für diese Abwehrstrategie braucht es die Vielfalt auch auf dem Feld. Vielfalt ist das, was das Leben, die Pflanzen gesund macht, aber auch den Menschen. Denn jeder weiß heute, wenn wir uns nur einseitig ernähren, werden wir krank und so ist es auch bei den Pflanzen. Was uns der Wald, die Fichte mit der Problematik des Borkenkäfers ganz deutlich zeigt.

Pflanzen brauchen die Vielfalt, sind durch ihr Wurzelsystem, wie man heute weiß, stark vernetzt. Vor allen Dingen brauchen sie dazu aber das Bodenleben, Pilze und Bakterien. Pilze helfen den Pflanzen ihr Wurzelsystem durch ihre Hyphen um ein Vielfaches zu vergrößern und sind somit auch für den Stoffaustausch zwischen den einzelnen Pflanzen verantwortlich. Die Pilze und Bakterien sorgen ebenfalls dafür, dass die Nährstoffe im Boden chemisch so bearbeitet werden, dass die Pflanze sie gut aufnehmen kann. Dieses Bodenleben, sprich die Pilze, aber auch die Bakterien sind sehr empfindlich gegen Störungen, sei es durch Ausbringen von mineralischem Dünger, der durch die Salzform zum Absterben der Pilze führen kann, aber auch chemischen Pflanzenschutz oder übermäßige Bodenbearbeitung. Diese Bedeutung des Bodenlebens ist uns leider eben so wenig bewusst, wie die Bedeutung der sekundären Pflanzenstoffe. Wenn uns das klar wäre, würden wir unsere Böden anders behandeln!

In einem Liter Boden sind mehr Lebewesen als es Menschen auf der Erde gibt. Und was wir dabei nicht vergessen dürfen, alles hängt zusammen in der Natur. Die Pflanzen benötigen dieses System, dieses Bodenleben unbedingt um wertvolle Inhaltsstoffe zu erzeugen. Denn nur so können sie Stoffe, Mineralien und Spurenelemente die ihnen fehlen, zur Verfügung gestellt bekommen. Wie gut dieses System funktioniert, erkennt man daran, dass wenn im Boden bestimmte Nährstoffe für eine Kulturpflanze fehlen, bestimmte Unkräuter, schnell wachsende Pflanzen, auftreten, die diese Stoffe bilden oder besser aus dem Boden lösen können und so den Kulturpflanzen zur Verfügung stellen.

So wirken zum Beispiel die Saponine des Gierschs oder auch des Gänseblümchens und der Vogelmiere, nicht nur im Boden, sondern auch im menschlichen Körper. Saponine oder auch Seifenstoffe, wie sie noch genannt werden, bilden in Kontakt mit Wasser, eine seifige, schaumige Lösung. Das erkennt man gut beim Waschen des Feldsalates, der ebenfalls zu den saponinhaltigen Pflanzen zählt, wo immer kleine Schaumbläschen entstehen. Früher wurden saponinhaltige Pflanzen wie Efeu, Rosskastanie oder auch Seifenkraut zum Waschen der Wäsche benutzt, weil sie die Eigenschaft haben, die Oberflächenspannung von Flüssigkeiten, besonders Wasser, herabzusetzen und durch ihr Dispersionsvermögen Schmutzstoffe, vor allem Fette in der Lösung, also in Schwebe zu halten, so dass sie sich nicht absetzten oder irgendwo anhaften und somit ausgewaschen werden können. Das können die Saponine aber nicht nur beim Wäsche waschen, sondern auch in unserem Körper. Sie sind in der Lage durch ihre schweißtreibende, entgiftende und stoffwechselanregende Wirkung, genau wie bei der Wäsche, Ablagerungen von Stoffwechselprodukten in unserem Körper wieder zu verflüssigen und zur Ausscheidung zu bringen. Besonders im Bindegewebe lagern sich solche Schlacken, wie der Volksmund sie auch gerne nennt, ein. Schon immer wurden hier im Frühling blutreinigende Kuren empfohlen. Dazu muss man nicht unbedingt Tee trinken, da reichen schon saponinhaltige Kräuter im Salat, wie Veilchen, Schlüsselblume, Vogelmiere oder Gänseblümchen. Aber bitte keine Schlüsselblumen aus der freien Landschaft, sie stehen unter Naturschutz und werden durch unsere Lebensweise schon genug dezimiert. Man kann Schlüsselblumen auch gut im eigenen Garten anbauen. Vor allen Dingen weiß man dort, wo das Hundeklo sich befindet oder was sonst noch so mit der Pflanze angestellt worden ist. Auch ist mit stark saponinhaltigen Pflanzen wie dem Efeu Vorsicht geboten, da es bei Überdosierungen zu Übelkeit und Brechreiz kommen kann. Die Dosis macht das Gift, das hat schon der Arzt Paracelsus gesagt und da Pflanzen Vielstoffgemische sind, wollen sie verantwortungsbewusst verwendet werden. Kräuter werden bewusst als Kräuter dosiert, weil sie in sehr hohen Dosen nicht so bekömmlich sind. Auch unsere hoch geschätzte Petersilie ist in hohen Konzentrationen giftig und wurde früher als Abtreibungsmittel benutzt. Ein Smoothie nur aus Petersilie ist also auch nicht zu empfehlen.

Saponine haben aber auch noch andere Aufgaben im Körper. Gerade durch diese Fähigkeit, dieses hohe Dispergiervermögen – fette und ätherische Öle, aber auch Nährstoffe mit Wasser zu emulgieren und in Suspensionen zu stabilisieren – erhöhen sie die Resorbierbarkeit vieler Nährstoffe. So erhöht der saponinhaltige Spinat die Calciumaufnahme im Körper in hohem Maße. Doch Saponine können noch mehr: Sie besitzen ausgesprochene fungizide, aber auch antivirale und bakteriostatische Eigenschaften, d.h. sie wirken gegen Pilze, Bakterien und Viren. Man vermutet, dass sie deshalb in so hohem Maße im Pflanzenreich vorkommen, weil sie die Pflanzen selbst vor diesen Eindringlingen schützen. Aber Pflanzen sind nicht egoistisch, sie schenken uns gerne diese Eigenschaften. Auch unser Körper kann diese Eigenschaft der Pflanzen nutzen, braucht sie, weil er eben – nicht so wie die Pflanzen – diese Stoffe selber herstellen kann. So schützen uns Saponine auch vor Krankheiten, die durch Pilze, Bakterien und Viren ausgelöst werden, stärken unser Immunsystem, gerade in Zeiten wie diesen.

Wir brauchen die Pflanzen mehr denn je, denn dieses Wechselspiel Pflanze und Mensch hat sich seit Jahrmillionen bewehrt. Erst in den letzten 150 Jahren hat der Mensch sich eingebildet, er wäre schlauer als die Pflanze. In meinen Augen ein fataler Fehler, der uns jetzt irgendwie an den Abgrund gebracht hat. Doch wir sind noch nicht gestürzt, wir haben immer noch die Chance umzudrehen. Und wenn wir das tun, dann sehen wir vielleicht auch die Pflanzen wieder, die dort schon auf uns warten. Vielleicht wird uns dann auch bewusst, wie wir mit ihnen umgehen, wie wir sie behandeln. Und wir erkennen hoffentlich, dass wir uns dadurch letztendlich nur selber schaden. Die Pflanzen sind nicht nachtragend, sie kommen jeden Frühling wieder frohgemut aus der Erde und wollen uns ihren Reichtum schenken. Doch schauen wir hin? Sehen wir was wirklich wichtig ist?

Literatur:

Bühring Ursel: Alles über Heilpflanzen erkennen, anwenden und gesund bleiben. Verlag Eugen Ulmer 2015, 3. aktualisierte Auflage

Pahlow, Manfred: Das große Buch der Heilpflanzen. Gräfe und Unzer Verlag, München, o. J.

Ritter, Claudia: Heimische Nahrungspflanzen als Heilmittel. AT Verlag, Aarau und München 2013

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